Abendmahl ökumenisch

Das Mahl des Herrn

in evangelischer und katholischer Sicht  

 

Kirchengemeinschaft ist kraft der Einsetzung des Abendmahls durch Christus die in der Teilhabe an Leib und Blut Jesu Christi begründete und erneuerte Gemeinschaft unter den Christen aller Konfessionen, wobei in jeder Kirche Platz nicht nur für eine, sondern für viele und auch für verschiedene Konfessionen sein sollte, weil jeder Christ seinen Glauben konfessionell in einer eigenen, persönlich gefärbten Sprache ausdrücken wird.

Die (kath.) Eucharistie-Feier, das (evang.) Abendmahl, ist nach neutestamentlicher Darstellung Stiftung und Vermächtnis des in den Tod gehenden Herrn an seine Jünger. Doch sehen die Evangelien bereits die Mahlgemeinschaft, zu welcher der Herr die Menschen während seines ganzen Erdenwirkens eingeladen hat, wie dann die späteren Mahlfeiern, in welchen der Auferstandene den Jüngern erneut seine Gemeinschaft schenkte, im Lichte dieses letzten Mahles vor seinem Tode.

So ist das Herrenmahl (Abendmahl/Eucharistie) zugleich Zeichen für die Gemeinschaft mit Gott in der künftigen Vollendung. Diese wird somit schon heute erfahren, weil Leib und Blut Christi uns Gemeinschaft mit dem ganzen Christus, dem für uns gestorbenen, dem auferweckten und wiederkommenden Christus, gewähren.

Dadurch ruft uns das Mahl mit Jesus gleichzeitig immer wieder neu in seine Nachfolge, die nicht nur das Lob- und Dankopfer gegen Gott einschließt, sondern um des Glaubens willen auch das persönliche Kreuzesopfer einschließen kann.

Das Mahl mit Jesus ist das Mahl der Sünder und schenkt denen, die glauben, Vergebung, Leben und Seligkeit.

Die Gemeinschaft, die dieses Mahl, bei dem Jesus der Geber und die Gabe zugleich ist, gewährt, ist universal: Sie umschließt auch die voneinander getrennten (Orts-) Kirchen 1.

 

Um so mehr muss man sich fragen, welche Gründe dazu führen können, dass diese im gemeinsamen Glauben bereits vorhandene universale Gemeinschaft der Christen auf der ganzen Welt sich nicht auch am Tisch des Herrn zeigt und bewährt.

Das kann nicht nur an einem bereits durch eine lange Tradition vorgegebenen gegensätzlichen Verständnis des Abendmahls selbst liegen, sondern mehr noch an einem zu starren Kirchen- und Amtsverständnis, wonach eine Vollmitgliedschaft (durch Taufe oder Konversion) notwendig ist, um am Abendmahl der jeweiligen Kirche teilnehmen zu können. In der Tat haben sich sowohl die katholische wie die evangelischen Kirchen (diese auch untereinander) lange Zeit gegenseitig den Abendmahlsbesuch verwehrt mit Hinweis auf ihr unterschiedliches Abendmahlsverständnis. Nach den Bemühungen vor allem der letzten drei Jahrzehnte ökumenischer Gespräche und Verhandlungen, auf denen viele gute Texte beschlossen worden sind, bleibt heute als einziger durchschlagender Trennungsgrund meist nur noch die leidige Amtsfrage übrig, an der allerdings die Ökumene heute zu scheitern droht, wenn es hier nicht irgendwann einen Durchbruch gibt. 

Aber so einig sind die Kirchen auch in der Lehre noch nicht, um hier eine völlige "Freigabe" des Abendmahls auch an die Glieder "konfessionsfremder" Kirchen zu ermöglichen. (So nehmen Katholiken häufig Anstoß an der oft auch bei ihnen fehlenden Ehrfurcht vor dem Herrn im Tabernakel, auch wenn kein Gottesdienst stattfindet, oder an dem mangelhaften Umgang mit den übriggebliebenen Gaben der evangelischen Abendmahlsfeier). Auch wenn wir die nach wie vor bestehenden unterschiedlichen Lehrauffassungen nicht überbewerten sollten, sollte man sie auch nicht ignorieren.

Insbesondere steht zwischen den Kirchen das katholische Verständnis des geweihten Amtspriestertums, in dem sich katholische Abendmahlslehre und kirchliches Selbstverständnis untrennbar verschmolzen haben: Nur ein gültig geweihter Priester darf nach katholischem Verständnis das Abendmahl reichen. Dieses Problem wird die eigentliche Streitfrage der nächsten Zeit, und hier wird es darauf ankommen, ob die katholische Seite das Priestertum aller Gläubigen ernst nehmen kann, das für Luther einer hierarchischen Über- und Unterordnung von Weihegraden, Ämtern und Funktionen entgegenstand, auch wenn es auch nach evang. Verständnis sehr wohl verschiedene Ämter mit einer bestimmten von anderen abgegrenzten kirchlichen Handlungskompetenz geben kann und gibt. Auch die übrigen Lehrdifferenzen werden nicht einfach von selbst verschwinden, und sie werden möglicherweise auch bleiben.

Es hat in der Kirche immer unterschiedliche Lehrauffassungen bezüglich des Abendmahls gegeben, das wird von niemandem bestritten. Auch in der kath. Kirche gibt es Theologen, die die mittelalterliche, kath.-scholastische Lehre von der "Transsubstantiation" (Verwandlung) der Elemente in Leib und Blut Christi für missverständlich, ja für misslich halten und deswegen für ein anderes Lehr-Verständnis eintreten. So hat ein holländischer Theologe den Begriff einer "Transfinalisation" (Transsignifikation2) geprägt, um auszudrücken, dass die Elemente durch ihren Empfang während der Kommunion eine neue Bestimmung erhalten. Sie dienen im Leben des Glaubenden einem besonderen Zweck, nämlich der Vergewisserung der realen Gegenwart Christi im Leben des Christen: Ich soll und darf wissen, dass Christus, der auferstandene Herr, am Kreuz für mich gestorben ist und "mich verlorenen und verdammten Menschen" (Luther) mit Gott neu versöhnt hat und mich in seinen "Leib" integrieren, mir Saft und Kraft seines Lebens schenken will.

Die einzelne Kirche ist zwar nicht identisch mit dem Leib Christi, aber sie wird von ihm in Anspruch genommen als der von ihm erwählte Ort seines Wirkens in dieser Welt. Natürlich ist das Abendmahl über die Jahrhunderte hinweg ein starker Anker konfessionell-christlicher Identität gewesen (oder als solcher neu entdeckt worden, wie vor allem in den evang. Kirchen), und die Form, in der es gefeiert wird, kann nicht ohne weiteres allein den Praktikern zu allen möglichen Experimenten überlassen werden. Gewiss handelt es sich um einen sehr sensiblen Bereich christlicher Frömmigkeit.

Luther hat, um der Schrift die Ehre zu geben, zunächst vor allem gegen ein falsches Übergewicht kirchlicher Amtsgewalt bei der Beurteilung, was rechtes und falsches Abendmahl ist, gekämpft und damit falsche Ansprüche des katholischen Lehramts zurückgewiesen. Aber er hat sich später genauso vehement gegen den Mitreformator Zwingli wenden können, als dieser nur noch von einer "symbolischen" Gegenwart Christi beim Vollzug des Abendmahls sprechen wollte. Inzwischen sind viele dieser alten Lehrstreitigkeiten beigelegt worden. Und auch Luther selber war keineswegs immer so einheitlich in seinen Aussagen, wie man meistens unterstellt.

Umso schwerer ist heute zu verstehen und zu ertragen, dass evangelische und katholische Christen weiterhin am Tisch des Herrn getrennt bleiben sollen. Wie wir auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin erlebt haben, können das viele Christen nicht mehr nachvollziehen. Manche sehen darin lediglich überholte Machtspiele der kath. Amtskirche. Die Christen an der Basis wollen sich gegenseitig nicht länger am Tisch des Herrn ausgeschlossen sehen und auch ihre Amtsinhaber sollen in diese neue Gemeinschaft einbezogen sein. Aber vieles wird davon abhängen, wie sich die katholische Kirche in ihren Repräsentanten die Zukunft der Christenheit in Deutschland und in der ganzen Welt vorstellt.


Wolfgang Massalsky, 30. 5. 2003

   

Literaturhinweise:

Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament
Bilaterale Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der
Kirchenleitung der Vereinigten Evang.-Luth. Kirche Deutschlands,
1984,

Vergleich zu der daraus gegebenen Problematik aus evangelischer Sicht:
Notger Slenczka,
Realpräsenz und Ontologie,
Untersuchung der ontologischen Grundlagen der Transsignifikationslehre, 1993.