Südafrika


Erste Eindrücke aus Südafrika, Kapstadt und Philippi

Nach rund 14 ½ stündigem Flug von Berlin über Amsterdam und mehr als 10.000 Kilometer zurückgelegter Strecke durch halb Europa und ganz Afrika, kamen wir am späten Abend des 16. Januar in Kapstadt an.

Wir, das waren 5 Personen, davon vier Gemeindeglieder: Frau Christel Weber, Edda Straakholder  und ich, sowie am folgenden Tag: Isis Pluczinski mit ihrer Schwägerin Magdalena aus Köln.

Es sollten 10 anregende Tage werden, die wir dort bei herrlichstem Urlaubswetter verbrachten. Mit Bedauern dachten wir an die, die aus gesundheitlichen Gründen diese Fahrt mit uns wieder stornieren mussten.

Ziel unserer Reise war u.a. iThemba Labantu, die Gemeinde von Pfarrer Otto Kohlstock in Philippi, den wir vor 6 Jahren in unserer Gemeinde begrüßen konnten und dem wir seither wiederholt Kollekten überwiesen haben. Manche werden sich noch an die aus Perlen gefertigten Sterne und anderen Schmuck erinnern, die er uns zum Verkauf überließ.

Möglich wurde dieser Besuch neben aller planerischen und finanziellen Vorbereitung durch Edda Straakholder vor allem durch Rebekka Sandmeier, früher ebenfalls aktives Mitglied und Kassenwartin unserer Gemeinde, die inzwischen an die Uni Kapstadt als Musikwissenschaftlerin berufen wurde und uns an Ort und Stelle eine wunderbare Gastgeberin war. Sie vermittelte unser Hotel, das so günstig gelegen war, dass wir manche Wege in Kapstadt bequem zu Fuß zurücklegen konnten, ergänzte unser Programm, lud uns zu sich ein und begleitete uns bei unseren Aktivitäten, soweit es ihre Zeit erlaubte.

Eine Ausbeute unseres Aufenthalts liegt in Gestalt von über 800 Fotos vor, von denen eine Auswahl wahrscheinlich im März auch in unserer Gemeinde gezeigt werden wird.

Kapstadt ist nach dem Urteil vieler die „europäischste“ Stadt nicht nur Südafrikas, sondern ganz Afrikas. Das hat zweifellos mit ihrer Gründung durch die Holländer im 17. Jahrhundert zu tun, deren Herrschaft später von den Engländern abgelöst wurde, ehe nach dem 2. Weltkrieg die „Buren“ landesweit die Apartheid einführten. Auch architektonisch ist Kapstadt stark von Europa geprägt. Neben ihren aus alter Zeit stammenden Gebäuden, die in europäischem (englischem) Stil erbaut wurden, gibt es viele Neubauten, die sich von europäischer Modernität gar nicht unterscheiden, z. B. das Parlament des Kaplands, das Conventional Centre, Firmensitze von bekannten Firmen, Hochhäuser, die vereinzelt sogar bis zur kulissenartig aufragenden Wand des Tafelbergs herangebaut wurden. Sogar Reetdach-Häuser finden sich in der Umgebung von Kapstadt, wenn man an der Küste entlang fährt. Auch der Hafen, der eine beachtliche Größe besitzt,  verbindet Südafrika mit Europa und anderen Teilen der Welt. Selbst der Wind trägt mit seiner Frische dazu bei, dass die Hitze nicht träge macht und man für Neues aus Europa und anderswo aufgeschlossen bleibt. Europäer, die sich hier aus beruflichen Gründen niederlassen, haben es nicht schwer sich neu zu orientieren und werden sich schnell heimisch fühlen, wenn sie Englisch können. Einzig die Sicherheitsfrage belastet manchen Ausflug. Nachts  sollte man nicht in abgelegene Gebiete außerhalb der Stadt fahren, auch in Kapstadt selbst wird es nicht empfohlen.  

Auffällig ist vor allem, dass Kapstadt eine Stadt der Weißen geblieben ist, die Schwarzen und Farbigen bilden dort auch heute noch nicht die Mehrheit. Insbesondere in den Firmen, die mit Europa und Amerika oder Asien Handelsbeziehungen haben, arbeiten viele Weiße als Fachkräfte. Auch nach der Abschaffung der Apartheid und dem friedlichen Machtwechsel (1994) durch die Wahl Nelson Mandelas zum Staatschef, hat sich das Ungleichgewicht zwischen schwarz und weiß noch nicht wirklich beseitigen lassen. Es hat sich lediglich verschoben: von der politischen Unterdrückung zur wirtschaftlichen Benachteiligung, die auch durch besondere Programme der Förderung der  schwarzen Bevölkerung bisher nicht überwunden werden konnte. Allerdings liegt das in erster Linie an der mangelhaften schulischen und beruflichen Ausbildung der Schwarzen, wodurch ihre Chancen am Arbeitsmarkt, qualifizierte Stellen zu erhalten, trotz aller Anstrengungen sich nicht wesentlich verbessert haben, z. T. aber liegt es gewiß auch an  den besonderen familiären Strukturen. Es reicht der Großfamilie offensichtich, wenn einer Arbeit hat und ausreichend Geld verdient, damit alle durchkommen.

Umgekehrt sieht man in weniger attraktiven Stellen fast nur Schwarze: beim zahlreich vorhandenen Aufsichts- und Sicherheitspersonal, bei Taxifahrern und Straßenreinigung, also in den schlecht bezahlten Berufen. Auch in der Gastronomie sieht man kaum ein weißes Gesicht. Ohne ein kräftiges Trinkgeld (bis zu 20 % und mehr) kommen hier die Angestellten kaum über die Runden. Übrigens auch unter den Straßenmusikanten und Bettlern sahen wir keine Weißen.

Die Regierungen Südafrikas werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten viel zu tun zu haben, um der drohenden Spaltung des Landes in weiß=reich und schwarz=arm entgegenzuwirken. Nach dem Ende der viel zu kurzen Ära Mandelas, dem auch von vielen Weißen sehr verehrten Nationalhelden, ist viel Zeit versäumt worden, hier neue Wege einzuschlagen. Die Hoffnung, dass die Schwarzen Südafrikas nach ihrem Erfolg im Kampf um die Freiheit nun auch im Kampf um bessere Lebensverhältnisse schnelle Fortschritte erreichen werden, hat sich vorläufig nur für die politische Machtelite unter den Schwarzen erfüllt, nicht für die arme Mehrheit.

Die Townships, die Vorstädte am nördlichen und nordöstlichen Stadtrand von Kapstadt, gehen mit ihren zumeist armseligen Elendshütten oft viele Kilometer lang bis dicht an die Ausfallstraßen heran. Die in ihnen wohnen, dürften vielfach unter  dem Existenzminimum leben.

Eine solche Fahrt entlang solcher Bruchbuden, aber auch besserer Steinhäuser, führte uns zu Pfr. Kohlstock nach iThemba Labantu (zu deutsch: „Hoffnung der Menschen“), das inmitten solcher Elendsquartiere in Philippi liegt.

Er empfing uns sehr herzlich vor seiner Kirche und  gab uns dann einen Überblick über die Vorgeschichte der von ihm seit 2003 verantworteten Gemeinde- und Sozialarbeit und zeigte uns dann die Räumlichkeiten und die darin stattfindenden Aktivitäten seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Hier werden Aids-Kranke betreut und versorgt, um ihnen ihre Selbständigkeit zu erhalten oder zurückzugeben. Schüler und junge Erwachsene werden mit der Handhabung moderner Solartechnik vertraut gemacht. Es gibt eine Autowerkstatt sowie eine Keramik- und Kunstwerkstatt, wo auch die Draht- und Perlenfiguren hergestellt werden, die wir für seine Einrichtung verkauft haben. Es gibt eine Kita und eine Pre-School für Vorschulkinder und Kinderbetreuung vor und nach der Schule. Jeden Freitag findet Gottesdienst statt, da die Kirche am Sonntag von einer Partnergemeinde genutzt wird.

Dieses ganze Werk ist natürlich auf Sponsoren angewiesen. Das Berliner Missionswerk unterstützt diese Einrichtung ebenfalls. Ein Freundeskreis in München vermittelt sogar Kinderpatenschaften. Vielleicht auch für Sie etwas?

Herr Kohlstock ist inzwischen ein viel gefragter und besuchter Mann. Kein Wunder, dass er 2011 von Bischof Dröge und Missionsdirektor Herpich besucht wurde, ich vermute, mit ebensoviel Begeisterung wie von uns.

Am nächsten Tag stand ein Besuch mit der Fähre nach Robben Island (holländ. Robbeninsel) auf dem Programm. Robben Island war lange Zeit während der Apartheid das Sicherheitsgefängnis für alle schwarzen Kämpfer gegen die Apartheid, vor allem aus dem Lager des ANC, dem auch Mandela angehörte. Als Mandela 1990 freigelassen wurde, hatte er dort (und an anderen Orten) 27 Jahre als Strafgefangener eingesessen. Seine Zelle ist uns dort gezeigt worden. Heute kaum vorstellbar, was den oft ganz jungen Männern im Kampf um ihre Freiheit von Weißen angetan wurde.

Um so erstaunlicher, dass Mandela als erster schwarzer südafrikanischer Staatsschef alles tat, um die Kluft zwischen schwarz und weiß nicht noch größer werden zu lassen und über alle Gräben hinweg zusammen mit Desmond Tutu, dem Erzbischof von Kapstadt den Weißen die Hand zur Versöhnung zu reichen. Eine große und bedeutende Geste: Ein Land voller bunter Kontraste und auch noch immer bestehender Gegensätze und Entwicklungsrückstände, aber welches Zukunfts-Potential…

Wolfgang Massalsky, 30. 1. 12