Die Kirchenväter
Die kirchliche Bedeutung von Athanasius dem Großen
(ca. 295-373, Todes- u. Gedenktag 2. Mai)
I. Christologie
1. Seine theologische Arbeit bereitet geistig das Nizänische Konzil, an dem er schon als junger Mann als Diakon des Bischofs Alexander von Alexandrien teilgenommen hat, mit vor (peri täs enanthroopäseoos tou logou, exakte Datierung unmöglich, wahrscheinlich um 320, so Rowan Williams 1) und kann danach als Nachbereitung, Sicherung und Ausbau seiner Ergebnisse verstanden werden. So war sein Leben immer auch Kampf für das Dogma von Nizäa und gegen den Arianismus (4 Orationes contra Arianos), der das Kaisertum in Konstantinopel lange Zeit – mit Unterbrechungen – für sich einnehmen konnte.
So war bis dahin, daß die Lehren des Konzils allgemein anerkannt wurden, noch ein weiter Weg zurückzulegen.
2. Es geht Athanasius ganz zentral um den Sohn (Christologie), seine Stellung zum Vater, die er als heilsentscheidend erkennt.
Das dogmatisch entscheidende Stichwort ist für Athanasius die Homo-usie (Wesensgleichheit, ja Wesenseinheit – damit geht er übrigens über den sonstigen Gebrauch von homo-usie hinaus, was sonst nur Zugehörigkeit zur gleichen Sorte bedeutete). Die Homoi-usie reicht nicht aus. Mehr als das wollten die Arianer nicht zugestehen. Sie glaubten die Einheit Gottes (Monotheismus) zerstört, wenn der Sohn (Logos) wesensgleich mit dem Vater wäre. Eine Trinitätslehre kann es für sie darum gar nicht geben.
Die Menschwerdung des Logos geschieht also nach Athanasius letztlich aus Gründen der Soteriologie, d.h. um des Menschen willen, um ihm sein durch die Sünde Adams verwirktes Heil neu anbieten zu können. Denn wenn Jesus nicht der Mensch („Fleisch“) gewordene Gottessohn ist, dann erlangen wir durch ihn auch keine Erlösung (Heil), die nur von Gott kommen kann.
Das Heil ist die Unsterblichkeit (athanasia), das ewige Sein bei Gott, das ist der Zustand, den Adam besaß, bevor er zum Sünder wurde.
3. Um durch Christus erlöst werden zu können, muß dieser als der Gottessohn mit Gott (dem Vater) immer verbunden sein:
a) bildlich: wie die Sonne ohne ihre Strahlen nicht richtig gesehen werden kann, so gehöre auch der Logos als das idion unmittelbar zu Gott;
b) wobei der Logos kein geschaffenes Wesen ist, und sei es – wie die Arianer lehren – vor der Zeit, also in Ewigkeit, geschaffen, weil damit Geschöpf und nicht gottgleich, sondern er muß ewig mit Gott verbunden sein, wie es die Zeugung ausdrückt, die im übrigen selbstverständlich keine biologische Zeugung meint;
c) somit ist der Logos kein Teil von Gott, denn dieser ist nicht aus Teilen zusammengesetzt, vielmehr besitzt der Logos ein eigenständiges Sein (als Person oder Hypostase) und ist doch mit Gott innerlich verbunden in der Einheit des gleichen Wesens. (Die dahinter stehende Theorie ist neu: daß Gott nicht nur willentlich schaffen kann, denn der Wille ist im Logos repräsentiert, sondern das Wesen Gottes selbst ist in bezug auf den Sohn schöpferisch tätig.)
Außerdem muß der Gottessohn in Jesus die Menschheit uneingeschränkt und vollständig sich mit ihr identifizierend angenommen haben 2, nicht bloß zum Schein oder vorübergehend.
4. Er ist als Gottessohn Mensch geworden, aber nicht primär damit wir an seinem Menschsein Anteil bekommen, sondern damit wir an seinem Gottsein Anteil bekommen. Erlösung bedeutet „Vergottung“. Das ganze Sein des Menschen soll in das Gottsein des Sohnes aufgenommen werden, das ist der Glaube, um den Athanasius kämpft, und der sich dann bald nach seinem Tod als Staatsdogma siegreich durchsetzen wird.
Mensch geworden ist der Gottessohn, damit er für uns sterben konnte. Er hat sein Leben hingegeben als Opfer (lytron, auch antilytron), um in seinem Tod den Tod überhaupt zu besiegen. Wäre er nicht wirklich Mensch geworden, so wäre unser Menschsein nicht erlöst worden. Und das bedeutet, wir blieben noch in unseren Sünden, aus denen wir uns nicht selbst befreien können (und damit dem Tode preisgegeben).
Dies Werk konnte kein Mensch von sich aus vollbringen, dazu mußte Gott bzw. der Gottessohn (Logos) Mensch werden.
5. Anteil haben an der Herrlichkeit seines Auferstehungs-Lebens, das ist Vergottung. Sie meint ein Gott verbundenes Leben, das im Tode nicht endet, sondern durch den Tod hindurch zur Unsterblichkeit führt (athanasia).
Das verpflichtet zu einer bestimmten Lebenshaltung, die auf dem Glauben der Kirche begründet ist. Askese, Mönchtum besitzt für den Heilsweg der Vergottung in der Gemeinschaft einen Vorzug vor anderen Lebensformen.
II. Trinitätstheologie
Athanasius bleibt allerdings bei der Christologie nicht stehen. Vielmehr geht er mit dieser auch die Trinitätslehre an (O. c. A. 1, 18). Geht es in der Christologie nach Athanasius primär um den Menschen und sein Heil, so ist doch der eigentliche theologische Zielpunkt der Christologie die Trinitätstheologie.
III. Lebensleistunng
a) kirchenpolitisch3
1. Bedeutendster Verteidiger des (katholischen) Glaubens in der bis dahin schwersten Existenzkrise der Kirche (so J. A. Möhler) im 4. Jahrhundert gegen die Irrtümer der Arianer (und andere Irrtümer), wenn es sein mußte auch gegenüber dem Kaiser. (Urbild des kämpferischen Bischofs, der keine falschen Kompromisse machte). Das sog. „athanasianische Glaubensbekenntnis“ mit seinen Verdammungen stammt allerdings nicht von ihm.
2. Trotz vieler kirchenpolitischer Niederlagen (5mal Verbannung insges. 17 Jahre, u.a. in Trier und Rom) ist er, seiner Sache sicher, selbst im Exil bemüht, Verbündete für den gemeinsamen Kampf zu finden.
3. Auf ihn geht die Achse Rom – Alexandria zurück. Die gemeinsame Politik beider Zentren der damaligen Kirche stärkte nicht nur Athanasius in seinem dogmatischen Kampf gegen den Arianismus den Rücken, sondern wertete auch die Stellung der Kirche im Reich auf, weil so die lange gesuchte Einheit im Reich greifbar wurde, was durch einseitige Maßnahmen des Kaisers (Konstantin) und seiner Söhne nicht gelang.
4. Als sein 1600. Todestag (1973) begangen wurde, wurde er nicht zu unrecht als „Pontifex zwischen Ost und West“ gefeiert.
b) theologisch
5. Sachlich bedeutend sind seine Beiträge zum christlichen Gottesverständnis (Abhängigkeit des Gottseins des Vaters von der Gottheit des Sohnes und umgekehrt. Keiner von beiden ist Gott ohne den andern!).
6. Die Annahme des Heils als Vergottung des Menschen ist weniger ethisch verstanden als mehr naturhaft-ontologisch 4.
7. Mit seiner Schrift über den heiligen Antonius ist er ein großer Förderer des Mönchtums auch im Westen gewesen.
8. Durch seinen 39. Osterfestbrief hat er den Abschluß des neutestamentlichen Kanons besiegelt.
c) Nachwirkung
9. Er galt schon früh als „Säule der Kirche“ und „Vater der (nizänischen) Orthodoxie“, seit dem 16. Jht. offiziell Kirchenlehrer (als Heiliger schon kurz nach seinem Tod verehrt). Heute beruft sich besonders die koptisch-orth. Kirche Ägyptens auf ihn, die ihren Sitz in Alexandria hat, aber ebenso zählt die griechisch-orthodoxe Kirche ihn zu ihren großen Gestalten.
10. Die westliche Christenheit sollte nicht nur Augustinus ein Mosaik in ihrem Fußboden widmen, sondern genauso auch Athanasius trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze gerade in der Trinitätstheologie, vielleicht gehört sogar in dieser Beziehung eher Athanasius als Augustinus die Zukunft (wie die unterschiedliche Bezugnahme auf Athanasius und Augustinus in der Syst. Theol. von W. Pannenberg in diesem Zusammenhang zeigt, Bd 1, 1988, 309, 339, 350-352.).
Wolfgang Massalsky, 12. 5. 2014
Verwendete Literatur:
Kyrios 14/1.2 (1974) Hrsg. P. Meinhold
Hans v. Campenhausen, Die griechischen Kirchenväter, 1967, 4. Aufl. (1955), zu Athanasius, 72-85
H. Leppin, Die Kirchenväter und ihre Zeit.2006, 2. Aufl. (2000)
Hermann Häring, Über den Widerstreit von Wahrheit und Macht.: Athanasius gegen die Welt, in: Gegenentwürfe. 24 Lebensläufe für eine andere Theologie, FS für H. Küng, 1988, 37-52
Art. Athanasius TRE 4, 1979, 333-349 (M. Tetz)
Art. Athanasius RGG Bd. 1, 4. Aufl., 1998, 870-873, bes. 872 (Rowan Williams)
Art. Athanasius LThK, 3. Aufl. (Charles Kannengießer)
A. Grillmeier, Die theologische und sprachliche Vorbereitung der christologischen Formel von Chalkedon, in: Das Konzil von Chalkedon Bd. 1, 1951, 5-202.
Wolfgang Hage, Das orientalische Christentum, 2007, S. 192 zur kopt.-orth. Kirche
Johann Adam Möhler, Athanasius der Große und die Kirche seiner Zeit, besonders im Kampfe mit dem Arianismus, 1844 (2. Auflage)
K. Bornhäuser, Die Vergottungslehre des Athanasius und Johannes Damascenus, 1903
Die Quellentexte: Orationes c. Arianos (nach Migne PG Bd. 26, 27 im Internet unter http://www.theologie.uni-erlangen.de/athanasius/ mit links zu Projekte und Hilfsmittel)
sowie die gängigen Dogmengeschichten (Harnack, Loofs, Bardenhewer, Altaner)
1 der dafür anführen kann, daß diese Erstlingsschrift des Athanasius sich apologetisch in eher konventionellen Bahnen bewegt und nichts vom späteren Kampf gegen den Arianismus erkennen läßt. Auch A. Grillmeier, 82, 89, sieht darin ein Jugendwerk; nach Tetz allerdings keine Jugendschrift, sondern erst im Trierer Exil 335-337 verfaßt.
2 Da allerdings der Logos (als wesensgleich mit Gott) leidensunfähig ist, entsteht nach Grillmeier das Problem, wie das Menschsein Jesu authentisch zur Geltung gebracht werden kann, was macht ihn leidensfähig? Es muß nun ein „geschaffenes“ Prinzip gefunden werden, um vom Logos alle anthroopina abzuhalten. Allerdings ist es fraglich, ob das Athanasius wirklich gelingen kann, denn: „... die Seele Christi ist kein realer Faktor in der Deutung des Todes und Abstieges Christi. (...) dafür genügt ihm das reine Schema: Logos-Sarx.“ (90) Für Grillmeier ist es jedenfalls „ziemlich wahrscheinlich, daß der Logos als Logos von Athanasios als geistiges Vollzugsprinzip des eigentlichen Erlösungsaktes angesehen wird.“ (86) Damit hätte das Menschsein Jesu bei Athanasius anscheinend kein eigenes Handlungsprinzip. Gleichwohl will Athanasius dem fleischgewordenen Logos ein vollständiges Menschsein zusprechen.
3 Charles Kannengießer in LThK, 3. Aufl. hat 3 Spalten Kirchenpolitik, 1 Spalte Theologie, was der theologischen Bedeutung von Athanasius nicht gerecht wird. Häring sieht, daß sich mit Athanasius in der Kirche eine Weichenstellung vollzieht, die sich bis in die Gegenwart, wie das Beispiel Küng zeigt, negativ ausgewirkt hat, indem gleichsam bischöflich-lehramtliche Verkündigung mit der theologischen Wahrheit selbst identifiziert wird. Diese könne aber nur im wissenschaftlichen Disput erkannt werden und erfordert daher auch ein anderes Umgehen mit theologisch abweichenden Meinungen als Ausgrenzung und Häretisierung. Leppin hat zwar anerkannt, daß kirchenpolitisches Handeln und Theologie in der Zeit des Athanasius noch nicht getrennt waren, aber er sieht das Handeln des Athanasius so sehr von den politischen Machtspielen seiner Zeit beeinflußt an, daß das nicht ohne Schaden für die Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns bleiben konnte. Insgesamt habe Athanasius mehr polarisiert als nach Kompromissen mit seinen Gegnern gesucht. Aber genau das war das letzte, was Athanasius geduldet hätte! Ist das von vornherein falsch? Statt mutiges Vorangehen, diplomatisches Geschachere hinter verschlossenen Türen?
4 Was Bornhäuser jedoch nicht gelten lassen will