6. n. Tr.
6. Sonntag nach Trinitatis (Reihe VI)
1. Petrusbrief, Kapitel 2, Verse 1-10
Die Erziehung des Gottesvolkes zu neuem Leben
Man spürt aus diesen Worten des Apostels Petrus (der jedoch nicht zu verwechseln ist mit dem Jünger Petrus), dass die Gemeinde als Körperschaft mithelfen muss, das Neue, das in Christus geschehen ist und das ihrem ganzen Dasein einen neuen Charakter gibt, auch nach außen sichtbar werden zu lassen, und zwar zunächst in der Form, dass sie ihr äußeres Erscheinungsbild in Ordnung bringt: Bosheit, Betrug, Heuchelei, Neid, üble Nachrede sollen aus ihrer Mitte verschwinden (was unser Leben oft vergiftet) und dafür soll sie sozusagen "die Milch der frommen Denkungsart" einsaugen. So wurde die "vernünftige lautere Milch", wie es im Text heißt, in der Neuzeit uminterpretiert. Die christliche Vernunft, zu der wir hier aufgerufen werden, darf jedoch nicht mit biedermännischer Bravheit verwechselt werden, sowenig wie lieblos-enge Sittenstrenge mit gesunder Christlichkeit gleichgesetzt werden darf, wie es oft geschieht.
Doch wenn es um unser Heil in Christus geht, meint der 1. Petrusbrief, dann ist auch unser praktisches Leben gefragt. Unsere leibliche Existenz ist Christus genauso wichtig wie unsere Seele. Wir dürfen uns als Menschen nicht vernachlässigen oder verwahrlosen. Glaube hat durchaus mit Geschmack zu tun. Wir sollen und dürfen den Geschmack am Leben wiederfinden: Das Grauen des Todes und seine entsetzlichen Formen sind im Glauben an den auferstandenen Herrn (verworfen und doch auserwählt und kostbar, V. 4 u. 7) überwindbar, und darum weckt die Freude am Evangelium neue Lebensgeister, die sich auf Leib und Seele erstrecken. Die Gemeinde wird dadurch aus vielen, zu neuem Leben erweckten Menschen aufgebaut. Lebendige Steine nennt sie der Apostel. Nicht die Kirche aus Back-Steinen ist gemeint, jedenfalls nicht in erster Linie, - als ob eine schön gebaute und in der Unterhaltung teure Kirche automatisch echte Christlichkeit verbürgte, - sondern wir selber sollen Tempel für den Heiligen Geist sein, wie es schon Paulus in 1. Kor 6 schrieb und wie es mit seinen Worten der Apostel Petrus wiederholt.
Wie einst das Volk Israel als ein heiliges Volk von Priestern bezeichnet worden ist, so hier die Gemeinde Jesu. Und sie soll es nicht nur sein, sondern sie ist es ("Gemeinschaft der Heiligen"), eine heilige Gott gefällige Priesterschaft, ja die königliche Priesterschaft (V. 9). So soll die Gemeinde durch ihre eigene christliche Existenz bezeugen, dass etwas Neues in diese dunkle Welt hineingekommen ist. Durch ihr eigenes Leben, Handeln und Verkünden soll sie Licht sein in den Finsternissen dieser Welt, damit auch diese Welt hindurchdringt durch alle Finsternisse ans Licht des neuen Tages, der mit Christus schon angebrochen ist, wenn auch immer wieder verdunkelt und verschleiert - auch durch unser eigenes, in den Augen des Apostels noch immer zu mancherlei Anstoß Anlass gebendes Leben und Handeln.
Pfarrer Massalsky, 4. 7. 2002